14.Bürgerreise nach Isfahan vom 22.10.-1.11.08

Kurz vor der Landung in Teheran: Unruhe. Mäntel werden zugeknöpft, Kopftücher zurechtgerückt. Ich fühle mich verkleidet: schwarzes weites Hemd statt engem Pulli, dunkler Schal um den Kopf. "Are you the first time in Iran?" lächelt mich mein Nachbar an. "Enjoy your stay!"
Auf dem Rückflug Erleichterung, Haare werden geschüttelt, Lachen. "Du siehst ja ganz anders aus," wundern sich die Männer in unserer Gruppe. "Did you enjoy your stay in Iran?" "O yes, we did!"
10 Tage unserer Bürgerreise nach Isfahan mit Kurzaufenthalten in Teheran und Shiraz liegen hinter uns. Isfahan, von Bergen umgeben, gekrönt von blauen Kuppeln, voller Moscheen, Palästen, quirligen Bazaren -orientalisch (wie wir es uns vorstellen) und verwunschen. In der Nähe die Atomanlage des Iran.
Eine Einladung zu einer Gartenparty, veranstaltet von Angehörigen der Universität, erhöht den Eindruck einer Szenerie aus "Tausendundeiner Nacht": lange Tische zwischen Blumen- und Gemüsebeeten, mit bestickten Tüchern und Blüten geschmückt, unter üppigen Torten und Kuchen, Süßigkeiten und Früchten ächzend. Als die Dämmerung einfällt, werden Kerzen angezündet. Auf der Balustrade vor dem Haus nehmen Musiker Platz, spielen traditionelle iranische Musik. Unter einem großen Baum sitzt ein junges Mädchen. Still und konzentriert zeichnet sie Kalligraphien.
70 Gäste sind gekommen, um uns willkommen zu heißen. Die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Menschen sind überwältigend. Es sind diese Erlebnisse, die neben der Schönheit der Landschaft und der eindrucksvollen Kultur des Landes die Bürgerreise so wertvoll machen. Keine Spur von Menschen, die den Blick abwendend Fremden misstrauisch gegenübertreten. Selten habe ich in einem islamischen Land so selbstbewusste junge Menschen -gerade auch Frauen- gesehen, die offen und unvoreingenommen auf Besucher aus dem Westen zugehen. Das Interesse an Europa, speziell auch an Deutschland, ist groß. Selbst auf der Straße, im Bazar werden wir angesprochen. "Where do you come from?" Jugendliche haken uns unter, wollen mit uns photographiert werden. Aber auch immer wieder die Frage: "What do you think of Iran?" Die außenpolitische Isolation und die Sanktionen gegen das Land stoßen auf Unverständnis und werden als Demütigung empfunden.
Ich glaube nicht, dass einer aus unserer Gruppe sich zutraut, ein abschließendes Urteil über die Situation im Iran zu fällen. Zu unterschiedlich sind die Kommentare, die wir hören. Und natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass ein Unterschied zwischen regierendem Regime und Bevölkerung besteht. Zweifellos ist der Iran ein autoritärer Staat. Es gibt Zensur, die Mullahs greifen in das persönliche Leben des Einzelnen ein. Bei einem Besuch des Instituts für Kunst bleibt uns ein junger Mann auf den Fersen. "Ein Spitzel. Nicht Besonderes." Schulterzucken. "Unsittlich" gekleidete Jugendliche werden von der Sittenpolizei aufgegriffen und verwarnt. Als mich ein Mann auf persisch beschimpft, eilt eine Frau auf mich zu, knöpft fürsorglich auch den letzten Knopf meines Mantels zu.
Wie weit die Kleidervorschriften eingehalten werden, ist regional sehr unterschiedlich. In Teheran und Isfahan sieht man den Tschador seltener. Die Mäntel sind kürzer als eigentlich erlaubt und auch ein wenig tailliert, die Kopftücher bunter und vor allem ganz, ganz weit nach hinten zurückgeschoben. Make up ist selbstverständlich. Unsere Männer waren hingerissen!
Der Iran ist eine junge Gesellschaft 60% der Bevölkerung sei unter 35 Jahre alt, wurde uns erzählt. Und es ist eine Gesellschaft die außerordentlich bildungshungrig ist. Im Gespräch mit Studentinnen und Studenten des Goethe-Instituts in Teheran konnten wir uns von der Lernbereitschaft und der Zielstrebigkeit der jungen Leute überzeugen. Viele von ihnen möchten gern im Ausland studieren.

Einige Tage vor unserer Rückkehr aus dem Iran war auf Einladung der Universität der iranische Ex-Präsident Khatami in Freiburg gewesen. Und wieder einmal wurde die Frage gestellt, ob eine Städtepartnerschaft mit Isfahan unter den gegebenen politischen Umständen aufrecht erhalten werden dürfe. Sicher, eine Bürgerreise kann die weltpolitische Situation nicht verändern. Aber sie kann Vorurteile abbauen helfen und für ein gegenseitiges Verstehen sensibilisieren, indem man der Position des Anderen zuhört und in das eigene Urteil einbezieht. Die tiefe Religiosität der Menschen, ihre eigene Kultur, z.B. der Stellenwert der Einbindung in die Familie, dies sind Elemente, die man bei der Beurteilung der Entwicklung im Iran berücksichtigen muss. Die vielen jungen selbstbewussten Menschen, gerade auch die Frauen, die wir gesprochen haben, geben jedoch Anlass zu der berechtigten Hoffnung, dass das Land einen eigenen guten Weg in die Zukunft finden wird. Viele von ihnen setzen ihre Hoffnung auf die nächste Wahl.

14 Tage später traf sich unsere Gruppe wieder, um die Reise noch einmal Revue passieren zu lassen. Unser iranischer Reiseleiter hatte uns ein Gedicht von Hafis gemailt.
Hafis und Sadi, die beiden großen persischen Dichter, sind beide in Shiraz begraben. Viele Iraner kennen ihre Verse auswendig und kommen zu ihren Grabmälern, um dort Einkehr zu halten oder zu beten. Suleiman hat uns dort Verse auf persisch vorgelesen.
Es ist Brauch, Hafis Divan wie ein Orakel zu befragen. Wenn man ein Problem oder eine Frage hat, schlägt man mit geschlossenen Augen das Buch auf. Der Vers, auf den das Auge fällt, zeigt die Lösung. Man muss ihn nur noch deuten.
Wir sind sicher, dass wir das Gedicht, das wir geschickt bekommen haben, richtig deuten: der Kontakt zu ihm und unseren anderen Freunden aus Isfahan wird weiter bestehen.
"O yes, we did enjoy our stay in Iran!"

Ursula Nowak

 

14. Bürgerreise


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