Die 11. Bürgerreise nach Isfahan

Bericht der Gruppe 1/Leitung Dr. Volker Hartmann

"Welcome to our Country"
Bestimmte Begriffe und Schlagwörter fallen uns ein, wenn wir in diesen Tagen "Iran" hören oder lesen. Sie entstammen unserer westlichen Medienwirklichkeit, die - kaum hinterfragt - festlegt, was wir für "wahr" nehmen.
Im vergangenen April hatte sich nun zum 11. Mal eine größere Gruppe interessierter Menschen auf den Weg gemacht, um Iran auf eine Art kennen zu lernen, die doch erheblich von der Darstellung in den Medien abwich. Ein sehr abwechslungsreiches Programm sollte uns einen vielfältigen Eindruck von den historischen, kulturellen, politischen und geographischen Zusammenhängen verschaffen, aber auch Begegnungen und Gespräche ermöglichen. Einige Eindrücke von der Reise will dieser Bericht vermitteln.

Sister-Cities
Eine Einladung in ein Sommerhaus vor den Toren Isfahans bot Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen mit Vertretern der iranischen Partnerschaftsinitiative, mit Künstlern, Studenten und anderen interessierten Isfahaner. Aber auch auf der Straße und in den verwinkelten Gängen des Basars, überall sprachen uns Menschen spontan an und haben uns mit großer Herzlichkeit willkommen geheißen. Mit den Worten "we are coming from your sister-city in Germany" haben wir uns bekannt gemacht und Freiburg-Ansichtskarten und -Informationen in Farsi verteilt. Manche Unterhaltung wurde im nächstgelegenen Teehaus fortgesetzt, wo wir mehr erfuhren z.B. über die schwierige Situation vor allem der jungen Generation, über das Selbstverständnis Tschador tragender Musliminnen oder einfach praktische Tipps und Hinweise für unseren Aufenthalt bekamen. Für diese Begegnungen, die ein wesentlicher Bestandteil der Bürgerreisen sind, hätten wir uns oft mehr Zeit gewünscht.

Das alte Persien
Als Besucher aus dem Westen wurden wir auch auf den aktuellen amerikanischen Film "300" angesprochen, der den Kampf zwischen Persern und Spartanern bei den Thermopylen in westlicher Popart-Manier stilisiert und in ignoranter Weise darstellt. Ein Besuch von Persepolis vermittelt demgegenüber eine Vorstellung von der frühen persischen Hochkultur. Unter den Achämeniden erlebte das Land eine Blütezeit noch vor der hellenistischen Antike. Dies wird jedoch im Westen kaum tradiert, obwohl die Perser keine Araber, sondern Indoeuropäer sind. Unser iranischer Reiseführer führte uns über das weiträumige Gelände der Ruinenstadt und erklärte uns sehr ausführlich die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge. Am Beispiel des berühmten Reliefs vom Aufmarsch der Vielvölkerschaften, die dem König am Nowruz-Fest ihren Tribut zollten, konnte er uns das Ausmaß des achämenidischen Weltreiches bildhaft erläutern.
Auch die Felsengräber und Felsreliefs von Maqsh-e Rostan und Reste eines Feuerheiligtums aus zoroastrischer Zeit hinterließen einen plastischen Eindruck von der Geschichte des Landes.

"Die Hälfte der Welt"
Ein altes persisches Sprichwort bezeichnet Isfahan als "die Hälfte der Welt". Sie ist nicht nur die größte, sondern auch die älteste unter den Partnerstädten Freiburgs. Ein prächtiges orientalisches Hotel - eine ehemalige safawidische Karawanserei mit einem großen, üppig bepflanzten Innenhof - war Ausgangspunkt unserer Stadterkundung.
Der zentrale Ort ist der Imam-Platz mit den berühmten Moscheen. Obwohl viele von uns zuvor schon Bilder gesehen hatten von den in berückenden Blautönen schimmernden Gebäuden, war es einfach überwältigend, diesen Ort zu erleben. Auch der Torpalast mit seinen floral-ornamentalen Wandmalereien, der "40-Säulen" - Palast (= 20 Säulen, die sich im Wasser des davor liegenden Beckens spiegeln), rätselhafte Kuriositäten wie die wackelnden Minarette, die wunderschönen Brücken und der weitläufige Basar gehörten zu unserem Besichtigungsprogramm. Zwischendurch, ganz den einheimischen Gepflogenheiten folgend, zog es uns, wann immer es zeitlich möglich war, in ein am Wege gelegenes Teehaus.

"Stadt der Liebe, der Rosen und der Nachtigallen"
Diesen poetischen Beinamen verdankt die Stadt Shiraz den beiden größten persischen Dichtern, Saadi und Hafiz. "Hundertundeine Geschichte aus dem Rosengarten" von Saadi und die Liebeslyrik und die bacchantischen Verse von Hafiz sind in der Bevölkerung auch heute noch sehr präsent. Hier berühren sich auch die persische und die deutsche Kultur mit Goethe als großem Bewunderer des Lyrikers und als Verfasser des "West-östlichen Divan". Wir besuchten die beiden Grabmale in den in frühlingshafter Blütenpracht leuchtenden Parkanlagen und konnten beobachten, mit welch intensiver Verehrung junge und alte Menschen, Männer und Frauen sich an diesen Orten aufhielten, leise die Verse rezitierten, die Sarkophage berührten, Trost und Rat suchten. Auch unser Reiseführer rezitierte für uns Verse von Hafiz, sehr zur Freude auch von iranischen Menschen, die sich uns zugesellt hatten.

"Iran daily"
In den Hotels lag diese für ausländische Touristen gemachte Zeitung aus, sodass wir auf diese Weise aktuelle politische Ereignisse wie die Freilassung der britischen Soldaten oder Themen wie die Urananreicherung einmal aus der iranischen Medienperspektive betrachten konnten. Aber auch im Programm unserer Bürgerreise waren vielerlei politische Akzente gesetzt, vor allem durch den Besuch der heiligen Stadt Qom, wo eine Begegnung mit einem Ayatollah stattfand, der einige Fragen beantwortete. In Teheran hatten wir Gelegenheit, einen Blick in die Räume zu werfen, in welchen sich Ayatollah Chomeni nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil aufhielt - das Photo des Revolutionsführers, auf dem Sofa sitzend und seine Anhänger um sich scharend, ist eine Ikone der iranischen Revolution. Im ehemaligen Goethe-Institut von Teheran begegneten wir Sprachschülern, die Deutsch lernen in der Hoffnung, nach Europa reisen zu können, um der allgemeinen Chancen- und Perspektivlosigkeit zu entgehen, die sich jedoch mit äußerst restriktiven Einreisebestimmungen auseinandersetzen müssen. Auf einem Märtyrerfriedhof wurden wir mit der Geschichte des iranisch-irakischen Krieges konfrontiert, mit der Trauerbewältigung und der Heldenverehrung. Der Aufenthalt im christlich-armenischen Viertel Isfahans, in den Kirchen und im Museum, machte auch auf die politischen Anliegen der Armenier aufmerksam, war aber zugleich ein grundsätzlicher Hinweis darauf, wie ethnische und religiöse Minderheiten sich erstaunlich frei entfalten können in diesem Land.

Statt eines Schlusswortes

Wer sich selbst und andre kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.

Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen, laß ich gelten;
Also zwischen Ost und Westen
Sich bewegen, sei’s zum besten.

Goethe, West-Östlicher Divan

Monika Reichart


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